Buchpreisbindung

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Rede zum TOP 20, 72. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages

– Es gilt das gesprochene Wort –

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In meiner rheinischen Heimat gilt: Alles, was man zweimal macht, ist Tradition, ab dem dritten Mal ist es Brauchtum. Die Monopolkommission bewegt sich beim Thema Buchpreisbindung noch im Bereich der Tradition. Sie hat bereits im Jahr 2000 ein Gutachten zur Buchpreisbindung vorgestellt und auch damals gegen die Buchpreisbindung gesprochen. Sie hat das nun 2018 wiederholt. Ich bin mir sicher, die Monopolkommission befindet sich auf dem Weg zum Brauchtum und wird wahrscheinlich auch noch ein drittes Mal wider die Buchpreisbindung sprechen. Es gibt sie aber trotzdem noch, und ich denke, es wird sie auch weiter geben.

Seit 120 Jahren ist die Buchpreisbindung die Konstante, unter der sich der deutsche Buchmarkt entwickelt hat. Damals führte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels erstmals feste Buchpreise für seine Mitglieder ein. Gesetzlich haben wir das dann 2002 im Buchpreisbindungsgesetz verankert.

Unter dem Strich dürfen wir wohl festhalten: Alles in allem geht es dem deutschen Buchmarkt qualitativ und quantitativ vergleichsweise gut. Der deutschsprachige Buchmarkt bietet den Leserinnen und Lesern eine besonders vielfältige Auswahl. Ebenso attraktiv ist er für diejenigen, die Bücher schreiben, lektorieren, verlegen und verkaufen. Er ist der zweitgrößte Buchmarkt der Welt.

Die Monopolkommission kommt nun in ihrem Gutachten vom Mai dieses Jahres zu dem Schluss, dass das Kulturgut Buch im Sinne des allgemeinen Interesses zwar schützenswert sei. Dennoch sollte die Buchpreisbindung abgeschafft werden, weil es sich um einen „schwerwiegenden Markteingriff“ handele und es keine objektiven Belege für ihren kulturpolitischen Mehrwert gebe. Ob und wie die Buchpreisbindung das Kulturgut Buch schütze, sei unklar, so die Monopolkommission.

Der Erfinder der Buchpreisbindung, Adolf Kröner, hat mit großer Überzeugung für die Einführung der Buchpreisbindung gestritten. Auch wenn er seine Überzeugung schon 1878 auf der Weimarer Konferenz zur Beratung buchhändlerischer Reformen vorgetragen hat, teile ich sie noch heute. Er hat gesagt, dass Bücher keine Ware sind wie jede andere. Das ist eine wichtige Prämisse, die aber im Gutachten der Monopolkommission zu kurz kommt.

Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hält fest, dass Kulturgütern ein Doppelcharakter innewohnt und sie daher mit normaler Handelsware nicht gleichzusetzen seien. Dieser Gedanke findet sich im Übrigen auch in unserem deutschen Urheberrecht, das ja eng mit dem Buchwesen verknüpft ist, wieder. Unsere deutsche Rechtstradition geht von einer doppelten grundrechtlichen Verankerung aus: sowohl in Artikel 14 des Grundgesetzes, dem Eigentumsrecht, als auch in Artikel 2 des Grundgesetzes, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Wir haben über das Urheberrecht also mittelbar eine klare grundrechtliche Verankerung, die belegt, dass es sich beim Kulturgut Buch eben nicht nur um ein Wirtschaftsgut handelt.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat schon richtig gelegen, als sie feststellte, dass die literarische Vielfalt eines unser wertvollsten Kulturgüter ist, die mit allen Mitteln geschützt werden müsse. Dem schließe ich mich gerne an. Die Autorin Susan Sontag schreibt: „Sie sind eine Art und Weise, ganz und gar Mensch zu sein.“

Was macht nun einen gut funktionierenden Markt für Bücher aus? Ein Buchmarkt mit einem zahlenmäßig überschaubaren, aber dafür möglichst preisgünstigen Angebot an Büchern, das ist nicht das Ziel unserer Kulturpolitik. Ein gut funktionierender Buchmarkt zeichnet sich durch Vielfalt und Verfügbarkeit der Werke aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Feldern der Kulturpolitik existiert ein realer Markt für Bücher. Das Buchgeschäft ist für viele durchaus ein auskömmliches Geschäft und muss eben nicht massiv mit staatlichem Geld unterstützt werden. Diese guten Marktbedingungen sind nicht zuletzt der Buchpreisbindung geschuldet.

So schützt erstens die Buchpreisbindung ein flächendeckendes Netz von Buchhandlungen. Die Buchhandlungen bilden einen integralen „Teil unserer kulturellen Infrastruktur“, wie der Deutsche Kulturrat feststellt. Gekauft werden Bücher, wenn auch vermehrt online, nach wie vor in bedeutendem Umfang in Buchhandlungen. Die Buchhandlung ist ein Ort der Begegnung. Hier wird nicht nur gekauft. Der Kunde darf stöbern und lesen, aber er findet eben vor allem Beratung und oft auch ein breites Angebot an Veranstaltungen.

Die Buchpreisbindung sorgt dafür, dass große und kleine, analoge und digitale Buchhandlungen die Bücher zum gleichen Preis anbieten. Dies ist insbesondere auch für den Verkauf von Bestsellern wichtig. Alle Buchhandlungen sind auf guten Umsatz angewiesen, und dieser erlaubt ihnen dann im Übrigen auch ein breites Angebot. Deshalb halte ich das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben auch für so wichtig, dass sogenannte Affiliate-Programme bei Internetvertriebswegen die Buchpreisbindung nicht aushebeln dürfen. Es ist auch Teil des Antrags, dass hier ein Gutachten in Auftrag gegeben wird, um die Auswirkungen zu überprüfen. Sollte sich zeigen, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf notwendig ist, bin ich dafür, dass wir dann eine entsprechende Anpassung des Buchpreisbindungsgesetzes vornehmen.

Die Buchpreisbindung sichert aber zweitens eben auch ein breites Verlagswesen und eine bunt gemischte Autorenschaft. Die Menschen, die dieses kulturelle Angebot für uns alle erschaffen, müssen und sollen davon leben können, sonst werden sie schlicht einer anderen Arbeit nachgehen. Preiskämpfe würden vor allem zulasten kleinerer Verlage und unbekannterer Autoren gehen, die deutlich weniger Spielraum haben, Zugeständnisse zu machen. Die Vielfalt hätte das Nachsehen. Kritiker der Preisbindung verweisen im Übrigen immer gerne auf die Schweiz, wo die Buchpreisbindung vor einigen Jahren abgeschafft wurde, und darauf, dass dies angeblich keine großartigen Auswirkungen auf das Marktgeschehen gehabt habe. Keiner spricht aber davon, dass die Verlage in der Schweiz ihre Umsätze zu 80 Prozent damit erwirtschaften, dass sie ihre Bücher in Deutschland verkaufen – eben unter dem Regime der Buchpreisbindung.

Die Buchpreisbindung abzuschaffen, würde den jetzigen Markt durcheinanderwirbeln; da bin ich mir sicher. Das Risiko, dass dabei viele Buchhandlungen auf der Strecke blieben und kleine und mittlere Verlage und letztlich Autorinnen und Autoren das Nachsehen hätten, ist groß. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es für den Buchmarkt weiterhin das Richtige ist, bei den bewährten Leitplanken zu bleiben, die möglichst vielen Marktteilnehmern den Zugang ermöglichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)