Normenkontrolle Bevölkerungsschutzgesetz
Rede zum TOP 4, 207. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ultra posse nemo obligatur – oder einfach übersetzt: Unmögliches kann nicht verlangt werden. Diesen klassischen Rechts- und allgemeinen Grundsatz lernen Studenten – Herr Brandner, ich gehe davon aus, auch an der Uni Regensburg – im juristischen Studium bereits im ersten Semester beim Schuldrecht.
(Stephan Brandner (AfD): Am ersten Tag!)
Er gilt aber auch allgemein im Strafrecht und im Verwaltungsrecht, und er macht auch Sinn für den Deutschen Bundestag.
Ultra posse nemo obligatur – genau darauf zielt der hier zu beratende Antrag der AfD-Fraktion ab. Nach diesem Antrag soll der Deutsche Bundestag – es ist schon mehrfach gesagt worden – es begrüßen – ich zitiere -, „wenn sich Abgeordnete des Deutschen Bundestags in ausreichender Zahl zusammenfinden, um beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung zu beantragen, dass die Bestimmungen der §§ 5 Absatz 1, 28a IfSG mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig sind“. Ein reiner Begrüßungsantrag! Wir sind hier aber der Deutsche Bundestag und kein Begrüßungskomitee.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Grundsätzlich ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass der Deutsche Bundestag etwas begrüßt.
(Stephan Brandner (AfD): Ach!)
Aber genauso wie man sich im persönlichen Umgang üblicherweise nicht selbst begrüßt, kann der Deutsche Bundestag nur das Handeln anderer Verfassungsorgane oder anderer Dritter, aber doch nicht sein eigenes Handeln oder das seiner Mitglieder begrüßen.
(Peter Boehringer (AfD): Das geht sehr wohl! Natürlich kann er! Pseudointellektuell – alles!)
Ultra posse nemo obligatur. – Die Mehrheit des Deutschen Bundestages könnte Ihrem Begrüßungsantrag aber auch schon logisch nicht zustimmen.
(Stephan Brandner (AfD): Weil Sie ihn nicht verstehen!)
Er kann doch nicht etwas begrüßen, was er selbst gar nicht könnte. Nach Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes ist der Deutsche Bundestag gar nicht befugt, einen abstrakten Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen.
(Stephan Brandner (AfD): Das steht auch gar nicht drin!)
Antragsbefugt nach Artikel 93 Absatz 1 ist nur ein Viertel der Mitglieder des Bundestages; das sind derzeit mindestens 178 Abgeordnete. Soll sich die Normenkontrollklage aber, wie von der AfD angestrebt, gegen ein Bundesgesetz richten, würde es einem abstrakten Normenkontrollantrag ja schon am Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts wäre rechtsmissbräuchlich.
Wenn die Mehrheit des Deutschen Bundestages der Ansicht wäre, ein Bundesgesetz wäre verfassungswidrig, dann begrüßt sie weder einen Antrag noch schließt sie sich zu einem solchen Antrag zusammen. Sie würde vielmehr einen viel einfacheren und direkteren Weg wählen: Sie hebt schlicht das als verfassungswidrig angesehene Gesetz auf.
(Stephan Brandner (AfD): Ja, so in der Theorie!)
Das ist in der Vergangenheit im Übrigen auch schon vorgekommen. Dafür bedarf es keines Umweges über das Bundesverfassungsgericht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber warum befasse ich mich so ausführlich mit diesen banalen Feststellungen? Weil wir einen fast identischen Antrag bereits am 30. Oktober 2020 an dieser Stelle debattiert haben. Ihr Antrag wurde von allen anderen Fraktionen vor nicht einmal drei Monaten abgelehnt mit einer Mehrheit von 551 Stimmen bei 72 Gegenstimmen, 1 Enthaltung und 624 insgesamt abgegebenen Stimmen. Das ist eine übergroße Mehrheit, und daran wird sich auch heute nichts ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Stephan Brandner (AfD): Was Sie alles wissen!)
Der Sache nach geht es Ihnen ja aber auch gar nicht darum, dass sich Ihnen eine Mehrheit anschließt. Ihr Antrag ist doch nur ein offensichtliches Vehikel. Worum es Ihnen wirklich geht, haben Sie, Herr Kollege Brandner, gerade wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Sie brauchen Filmmaterial, um Ihre absurden Ideen über Ihre Social-Media-Kanäle verbreiten zu können, und dazu muten Sie uns eine Debatte von einer Stunde Länge zu.
Wir werden den Antrag ablehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)