Rückgabe von NS-entzogenem Kulturgut
Rede zu TOP 21, 194. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Massenmord an den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern war der verbrecherische Endpunkt einer Entwicklung, die im Januar 1933 systematisch ihren Anfang nahm. Vor dem Holocaust standen die fortschreitende Entrechtung und Erniedrigung von Jüdinnen und Juden, standen Zwang und Schikane, standen Pogrome und Verfolgung und nicht zuletzt auch die Annahme einer „rassischen“ Prägung der Kultur. Begriffe wie „entartete Kunst“ oder die öffentliche Bücherverbrennung stehen exemplarisch hierfür, genauso aber auch, dass der nationalsozialistische Staat die Zwangslage von Jüdinnen und Juden schonungslos ausgenutzt hat, um sie ihrer Kunst und Kulturschätze zu berauben.
Fraglos: Gehandelt haben damals Menschen. Ganz gleich, ob Einzelne trotz der Zwangssituation fair gehandelt haben oder die Zwangslage kaltblütig ausgenutzt haben: Allen gemein ist, dass sie eine Zwangslage ausgenutzt haben, die der Staat geschaffen hat und für die er auch verantwortlich war. Ich sage das, weil wir als Staat damit auch einen erheblichen Teil der Verantwortung zu tragen haben. Der Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut kann nicht ausschließlich zu einer Frage des Privatrechts gemacht werden.
In unseren Augen gilt für den vorgelegten Gesetzentwurf: Er wird dieser staatlichen Verantwortung nicht gerecht. Für ihn gilt: Gewogen und zu leicht befunden. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die gesetzlichen Regelungen, die vorgeschlagen werden, möglicherweise genau das Gegenteil dessen bewirken, was – das sage ich ganz ausdrücklich – von gutem Willen getragen geregelt werden soll,
(Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht nicht!)
dass sie im Ergebnis die Durchsetzung erschweren und nicht erleichtern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Gesetzentwurf regelt im Kern ausschließlich den Ausschluss der Leistungsverweigerung für einen begrenzten Objektkreis, nämlich Kulturgut im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Kulturgutschutzgesetzes. Damit wird für diesen Kreis von Sachen die Verjährung obsolet. Zahlreiche Aspekte werden aber nicht geregelt. Der Ausschluss der Leistungsverweigerung wird auf Bösgläubigkeit beschränkt, womit dem Anspruchsteller der Nachweis der Bösgläubigkeit weiter aufgebürdet wird. Hier wäre an eine Beweislastumkehr zu denken, so wie es auch andere sogenannte Wiedergutmachungsgesetze geregelt haben.
(Otto Fricke (FDP): Wie beweist man denn Gutgläubigkeit?)
Stattdessen wird das Problem weiter privatisiert und die Lösung auf den Kunsthandel abgewälzt, indem bloß ein Auskunftsanspruch geschaffen wird. Der Problemkreis der Ersitzung wird darüber hinausgehend gesehen, aber ausgeklammert. Konsequent wäre es, ein echtes Restitutionsgesetz zu schaffen. Um echten Rechtsfrieden zu schaffen und den Interessen angemessen gerecht zu werden, führt eigentlich kein Weg daran vorbei,
(Otto Fricke (FDP): 16 Jahre nichts erreicht, und dann jetzt hier so!)
so schwer das auch ist.
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Denn das bedarf auch klarer Entschädigungsregelungen. Ja, es ist vollkommen richtig: Das ist eine Frage, die schon über Jahrzehnte von den unterschiedlichsten politischen Gruppierungen nicht geregelt worden ist. Trotzdem wäre es der richtige Weg.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)