Suizidhilfe

Suizidhilfe

Rede zum TOP 5, 223. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Grundgesetz ist die freiheitlichste Verfassung, die unser Land je hatte. Es garantiert jedem Einzelnen einen immensen Freiheitsraum und verleiht dem Einzelnen vielfache Rechte, diese Freiheit auch durchzusetzen. Daher respektieren Verfassungs- und Rechtsordnung sogar die Entscheidung des Einzelnen, über das eigene Leben zu verfügen und dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, auch mit fremder Hilfe. Aber unser Grundgesetz ist auch eine Werteordnung. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben mehr geschaffen als eine lose Sammlung subjektiver Rechte des Einzelnen, mehr geschaffen als einen Baukasten zur Durchsetzung individueller Rechte gegen andere oder gegen den Staat. So stehen zu Beginn unseres Grundgesetzes mit Artikel 1 die klare Aussage und der klare Auftrag:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Das ist gleichermaßen die Eröffnung eines Freiheitsraumes für den Einzelnen wie seine Begrenzung im Interesse ethisch-moralischer Grundkonstanten. So durchzieht, ohne dass es einer besonderen Nennung bedarf, die Bejahung des Lebens von Artikel 1 ausgehend unsere Verfassung.

Im Umgang mit der Beihilfe zur Selbsttötung zeigt sich das gesamte Spannungsfeld, der ganze Widerstreit zwischen dem Freiheitsraum und seiner legitimen Grenze. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Verfassung solche Grenzen zieht. Dort, wo es um die autonome Entscheidung des Einzelnen geht, muss dessen Autonomie geschützt werden,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN und des Abg. Benjamin Strasser (FDP))

geschützt werden vor Beeinflussung dieser Autonomie durch Dritte; denn nur, wo sie sich unbeeinflusst entfalten kann, bedeutet Autonomie tatsächlich Selbstbestimmung.

Ich halte es daher für richtig, die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe zu belassen, so, wie der Bundestag es schon im Jahr 2015 beschlossen hatte. Das Bundesverfassungsgericht lässt diesen Weg auch nach seiner Entscheidung von Februar 2020 ausdrücklich offen.

Es ist nun Aufgabe des Gesetzgebers, nur dort eine Rechtfertigung zuzulassen, wo die tatsächliche Autonomie der Entscheidung des Einzelnen auch wirklich zuverlässig festgestellt werden kann.

Die Ambivalenz eines Suizidwunsches ist wissenschaftlich erwiesen. Hier muss der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag nachkommen; denn eine einmal getroffene Entscheidung ist irreversibel. Die Sorgfalt muss daher besonders groß sein. Das kann nur durch ernsthafte und umfassende Beratung, ethische Beratung – auch im Sinne von Alternativen zum Sterbewunsch – gewährleistet werden.

Am Ende bleibt: Unsere Verfassung ist ein Grundgesetz für das Leben und nicht für das Sterben, und das muss sich in der gesamten Rechtsordnung widerspiegeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)