Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie

Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie

Rede zum TOP 19, 58. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages

– Es gilt das gesprochene Wort –

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben die Zahl schon mehrfach gehört und werden sie bestimmt noch öfter hören: Nur etwa 5 % der Literatur ist in barrierefreien Formaten zugänglich. Und das in einer Zeit, in der Informationen und Wissen so immens wichtig sind.

Für den Zugang zu Bildung, für die kulturelle, gesellschaftliche und politische, für berufliche Teilhabe ist der Zugang zu Literatur einer der wichtigsten Schlüssel.

Deshalb freue ich mich – und ist es ehrlich gesagt auch Zeit -, dass wir heute die Marrakesch-Richtlinie in das deutsche Recht umsetzen. Mit der Umsetzung verbessern wir den Zugang zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Menschen zu Sprachwerken.

Eine jetzt schon geltende wichtige Regelung wird bleiben: Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung dürfen barrierefreie Kopien von Werken mit Urheberrechtsschutz für den eigenen Gebrauch herstellen, ohne hierfür eine Vergütung zahlen zu müssen.

Neu ist, dass alle Einrichtungen, die gemeinnützig barrierefreie Kopien für Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen herstellen, barrierefreie Kopien an Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung nicht mehr nur „altmodisch“ in Hardcopy verleihen dürfen, sondern ihre Inhalte auch online anbieten dürfen.

Der Clou am weltweiten Marrakesch-System ist nun, dass diese befugten Stellen ihre Kopien auch noch mit allen befugten Stellen in allen anderen Marrakesch-Ländern austauschen dürfen. Also in allen EU-Ländern und derzeit noch 41 Staaten. Weitere werden folgen.

Wir haben die „befugten Stellen“ ganz offen definiert als „Einrichtungen, die in gemeinnütziger Weise Bildungsangebote oder barrierefreien Lese- und Informationszugang für Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung zur Verfügung stellen.“ Tatsächlich sind dies im Moment meist Blindenbibliotheken, aber genauso fallen darunter Medienzentren für blinde und sehbehinderte Menschen oder Umsetzungsdienste an Universitäten. Jede Einrichtung, die mitmachen will, kann mitmachen.

Grundsätzlich gilt im Urheberrecht, dass man die Rechte für die Nutzung erwerben muss. Im Ausnahmefall der gesetzlichen Nutzungserlaubnis gibt es als Entschädigung immerhin eine angemessene Vergütung. Die vergütungsfreie Nutzung gibt es nur ganz ausnahmsweise. Wie zum Beispiel in diesem Gesetz, wenn Einzelpersonen für sich selbst barrierefreie Kopien erstellen. Für die Nutzung durch befugte Stellen ist eine sehr maßvolle Vergütung angemessen.

Für den Gesetzgeber ist es natürlich verlockend, die Urheberrechte zu beschränken, um soziale Zwecke zu fördern ohne dabei in die Staatskasse greifen zu müssen.

Damit wir die Grundrechte von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen und von Menschen, die Literatur aller Art schaffen, gleichzeitig verwirklichen zu können, müssen die befugten Stellen so ausgestattet sein, dass sie eine angemessene Vergütung bezahlen können. Und mehr noch müssen sie auch im Übrigen für ihre Aufgabe auskömmlich ausgestattet sein.

Deshalb begrüßen wir in einem eigenen Entschließungsantrag ausdrücklich, dass die Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention die befugten Stellen mit einer einmaligen Finanzierungshilfe fördern will. Vor allem bei Umsetzung von IT-Systemen dürfte das sehr helfen.

Jenseits des bisherigen Engagements bitten wir Länder eindringlich, den finanziellen Mehrbedarf befugter Stellen zu berücksichtigen.

Und ganz wichtig: „Bei der Nutzung durch befugte Stellen kommt wegen ihrer wichtigen sozialen und menschenrechtlichen Aufgaben nur eine sehr maßvolle Vergütung in Betracht.“