Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus

Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus

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Rede zum TOP 15, 83. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages

– Es gilt das gesprochene Wort –

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Ich will nie etwas besitzen“, das soll Alexander von Humboldt in einem Brief aus Havanna an einen Freund geschrieben haben. Jedenfalls habe ich dieses Zitat in einem Beitrag von Frau Professor Bénédicte Savoy im „Tagesspiegel“ vom 18. Januar 2017 so gelesen.

Beinahe ironisch muten diese Worte an, wenn wir heute über den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sprechen. Man bedenke, wie eng das Lebenswerk beider Humboldt-Brüder doch mit unserer einzigartigen modernen Museumslandschaft in Deutschland verwoben ist. So sind sie auch Namensgeber eines ambitionierten Projektes, des Humboldt Forums in Berlin, in dem das Thema Kolonialismus breiten Raum einnehmen wird.

Sowohl dessen bevorstehende Eröffnung als auch die Veröffentlichung eines Berichtes in Frankreich mit dem Titel „Die Restitution des afrikanischen Kulturerbes“, der die sofortige ungeprüfte Rückgabe aller Kulturgüter aus Frankreich fordert, erarbeitet von der eben von mir genannten Frau Professor Savoy in Zusammenarbeit mit Felwine Sarr, haben in den letzten Monaten die Diskussion um den Umgang mit kolonialem Erbe erneut intensiviert. Auch wenn Deutschland vergleichsweise spät und kurz Kolonialmacht war, so ist doch der gesellschaftliche Diskurs darüber absolut notwendig.

Zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte bekennt sich dementsprechend auch der Koalitionsvertrag explizit. Wir haben dort verankert, dass wir die kulturelle Zusammenarbeit mit Afrika verstärken, einen stärkeren Kulturaustausch befördern, die Digitalisierung der deutschen Museumsbestände und die Aufarbeitung der Provenienzen voranbringen wollen. Auch unsere Staatsministerinnen Monika Grütters und Michelle Müntefering haben dies in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der „FAZ“ vom 15. Dezember 2018 hervorgehoben.

So wichtig die Aufgabe ist, so komplex gestaltet sich aber auch ein adäquater Umgang mit den Kulturgütern; denn Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten befindet sich eben nicht nur in ethnologischen Museen, wie sich auf den ersten Blick vielleicht vermuten ließe, nein, beinahe alle Museumsgattungen sind hier in der Pflicht. Dem „Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ des Deutschen Museumsbundes kann man entnehmen, dass es neben den ethnologischen auch um die naturkundlichen, historischen – auch stadt- und militärhistorischen -, kunst- und kulturhistorischen, archäologischen und anthropologischen sowie Technik- und Volkskundemuseen und -sammlungen geht.

Genauso sind die Objektgruppen, über die wir sprechen, ganz unterschiedlicher Natur. So gehören neben menschlichen Überresten zeremonielle Objekte und Herrschaftszeichen, aber auch technisches Gerät, Waffen, Uniformen, Kolonialwaren, Werbung für ebendiese, Objekte kolonialer Propaganda, Alltagsgegenstände sowie Objekte bildender Kunst dazu. Sie stammen nicht allein aus den ehemaligen deutschen Kolonien, sondern aus der ganzen Welt.

Mit welchen Schwierigkeiten die Rückgabe sensibler Kulturgüter verbunden sein kann, zeigt exemplarisch ein aktueller Fall, mit dem sich der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg gerade in diesen Tagen befasst hat. Eine Bibel und eine Peitsche des namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi, gelagert im Linden-Museum in Stuttgart, sollten am 1. März nach Namibia zurückgebracht werden. Dagegen hatte die Vereinigung der Nama-Stammesältesten, deren Stamm Hendrik Witbooi angehörte, eine einstweilige Verfügung beim Verfassungsgerichtshof in Baden-Württemberg beantragt, die heute zurückgewiesen worden ist, sodass das Kulturgut jetzt doch nach Namibia zurückkehren kann.

Wir können sicherlich auch nicht einfach hingehen und Verfahrensweisen, die wir im Umgang mit nationalsozialistischer Raubkunst entwickelt haben, auf den Umgang mit kolonialem Sammlungsgut eins zu eins übertragen. Es ist auch keinem damit geholfen, kurzerhand eine Erinnerungsstätte zu bauen. Die Entscheidung darüber kann nicht am Anfang einer Debatte stehen. Man nehme nur den Vorschlag von Professor Parzinger, einen Raum der Stille zum Gedenken an die Opfer von Kolonialismus im Humboldt Forum einzurichten, mit dem er eine breite Diskussion ausgelöst hat.

Wie geht es nun weiter? Zunächst steht seit Jahresbeginn über das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ein eigener Etat zur Förderung von Projekten der Provenienzforschung zum Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sowie zur thematischen Grundlagenforschung zur Verfügung. Es wird also mehr Geld bereitgestellt, und ein erster wichtiger Schritt seitens des Bundes ist damit getan.

Weiter haben im Oktober des vergangenen Jahres Bund und Länder eine Arbeitsgruppe im Rahmen der Kulturministerkonferenz gegründet, die eine gemeinsame Positionierung zum Umgang mit Kulturgut aus kolonialen Kontexten konzipieren soll; denn es geht ja eben gerade nicht nur um den Bund. Unsere föderale Struktur im Kulturbereich zeigt eben, dass auch die Länder und die Kommunen eingebunden werden müssen.

Außerdem wird die zweite Fassung des Leitfadens des Deutschen Museumsbundes in Bälde mit einer Erweiterung um eine internationale Perspektive erscheinen. Die Ergebnisse beider Berichte werden unsere Beratungen sicher positiv beeinflussen und in eine Empfehlung zum Umgang mit Kunst- und Kulturgütern aus kolonialen Kontexten einfließen können.

Stärker noch als bei der Aufarbeitung von NS-Raubkunst ist in dem vorliegenden Kontext aber sicherlich auch die Einbettung in einen international anerkannten Handlungsrahmen von Bedeutung.

Ich möchte zum Schluss unterstreichen, dass die große Mehrheit der Fraktionen im Deutschen Bundestag die Aufgabe der Auseinandersetzung mit der deutschen und europäischen Kolonialgeschichte und ihre Bedeutung für unsere Entwicklung als Gesellschaft sehr ernst nimmt. Dementsprechend freuen wir uns auf konstruktive weitere Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Seit 120 Jahren ist die Buchpreisbindung die Konstante, unter der sich der deutsche Buchmarkt entwickelt hat. Damals führte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels erstmals feste Buchpreise für seine Mitglieder ein. Gesetzlich haben wir das dann 2002 im Buchpreisbindungsgesetz verankert.

Unter dem Strich dürfen wir wohl festhalten: Alles in allem geht es dem deutschen Buchmarkt qualitativ und quantitativ vergleichsweise gut. Der deutschsprachige Buchmarkt bietet den Leserinnen und Lesern eine besonders vielfältige Auswahl. Ebenso attraktiv ist er für diejenigen, die Bücher schreiben, lektorieren, verlegen und verkaufen. Er ist der zweitgrößte Buchmarkt der Welt.

Die Monopolkommission kommt nun in ihrem Gutachten vom Mai dieses Jahres zu dem Schluss, dass das Kulturgut Buch im Sinne des allgemeinen Interesses zwar schützenswert sei. Dennoch sollte die Buchpreisbindung abgeschafft werden, weil es sich um einen „schwerwiegenden Markteingriff“ handele und es keine objektiven Belege für ihren kulturpolitischen Mehrwert gebe. Ob und wie die Buchpreisbindung das Kulturgut Buch schütze, sei unklar, so die Monopolkommission.

Der Erfinder der Buchpreisbindung, Adolf Kröner, hat mit großer Überzeugung für die Einführung der Buchpreisbindung gestritten. Auch wenn er seine Überzeugung schon 1878 auf der Weimarer Konferenz zur Beratung buchhändlerischer Reformen vorgetragen hat, teile ich sie noch heute. Er hat gesagt, dass Bücher keine Ware sind wie jede andere. Das ist eine wichtige Prämisse, die aber im Gutachten der Monopolkommission zu kurz kommt.

Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hält fest, dass Kulturgütern ein Doppelcharakter innewohnt und sie daher mit normaler Handelsware nicht gleichzusetzen seien. Dieser Gedanke findet sich im Übrigen auch in unserem deutschen Urheberrecht, das ja eng mit dem Buchwesen verknüpft ist, wieder. Unsere deutsche Rechtstradition geht von einer doppelten grundrechtlichen Verankerung aus: sowohl in Artikel 14 des Grundgesetzes, dem Eigentumsrecht, als auch in Artikel 2 des Grundgesetzes, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Wir haben über das Urheberrecht also mittelbar eine klare grundrechtliche Verankerung, die belegt, dass es sich beim Kulturgut Buch eben nicht nur um ein Wirtschaftsgut handelt.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat schon richtig gelegen, als sie feststellte, dass die literarische Vielfalt eines unser wertvollsten Kulturgüter ist, die mit allen Mitteln geschützt werden müsse. Dem schließe ich mich gerne an. Die Autorin Susan Sontag schreibt: „Sie sind eine Art und Weise, ganz und gar Mensch zu sein.“

Was macht nun einen gut funktionierenden Markt für Bücher aus? Ein Buchmarkt mit einem zahlenmäßig überschaubaren, aber dafür möglichst preisgünstigen Angebot an Büchern, das ist nicht das Ziel unserer Kulturpolitik. Ein gut funktionierender Buchmarkt zeichnet sich durch Vielfalt und Verfügbarkeit der Werke aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Feldern der Kulturpolitik existiert ein realer Markt für Bücher. Das Buchgeschäft ist für viele durchaus ein auskömmliches Geschäft und muss eben nicht massiv mit staatlichem Geld unterstützt werden. Diese guten Marktbedingungen sind nicht zuletzt der Buchpreisbindung geschuldet.

So schützt erstens die Buchpreisbindung ein flächendeckendes Netz von Buchhandlungen. Die Buchhandlungen bilden einen integralen „Teil unserer kulturellen Infrastruktur“, wie der Deutsche Kulturrat feststellt. Gekauft werden Bücher, wenn auch vermehrt online, nach wie vor in bedeutendem Umfang in Buchhandlungen. Die Buchhandlung ist ein Ort der Begegnung. Hier wird nicht nur gekauft. Der Kunde darf stöbern und lesen, aber er findet eben vor allem Beratung und oft auch ein breites Angebot an Veranstaltungen.

Die Buchpreisbindung sorgt dafür, dass große und kleine, analoge und digitale Buchhandlungen die Bücher zum gleichen Preis anbieten. Dies ist insbesondere auch für den Verkauf von Bestsellern wichtig. Alle Buchhandlungen sind auf guten Umsatz angewiesen, und dieser erlaubt ihnen dann im Übrigen auch ein breites Angebot. Deshalb halte ich das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben auch für so wichtig, dass sogenannte Affiliate-Programme bei Internetvertriebswegen die Buchpreisbindung nicht aushebeln dürfen. Es ist auch Teil des Antrags, dass hier ein Gutachten in Auftrag gegeben wird, um die Auswirkungen zu überprüfen. Sollte sich zeigen, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf notwendig ist, bin ich dafür, dass wir dann eine entsprechende Anpassung des Buchpreisbindungsgesetzes vornehmen.

Die Buchpreisbindung sichert aber zweitens eben auch ein breites Verlagswesen und eine bunt gemischte Autorenschaft. Die Menschen, die dieses kulturelle Angebot für uns alle erschaffen, müssen und sollen davon leben können, sonst werden sie schlicht einer anderen Arbeit nachgehen. Preiskämpfe würden vor allem zulasten kleinerer Verlage und unbekannterer Autoren gehen, die deutlich weniger Spielraum haben, Zugeständnisse zu machen. Die Vielfalt hätte das Nachsehen. Kritiker der Preisbindung verweisen im Übrigen immer gerne auf die Schweiz, wo die Buchpreisbindung vor einigen Jahren abgeschafft wurde, und darauf, dass dies angeblich keine großartigen Auswirkungen auf das Marktgeschehen gehabt habe. Keiner spricht aber davon, dass die Verlage in der Schweiz ihre Umsätze zu 80 Prozent damit erwirtschaften, dass sie ihre Bücher in Deutschland verkaufen – eben unter dem Regime der Buchpreisbindung.

Die Buchpreisbindung abzuschaffen, würde den jetzigen Markt durcheinanderwirbeln; da bin ich mir sicher. Das Risiko, dass dabei viele Buchhandlungen auf der Strecke blieben und kleine und mittlere Verlage und letztlich Autorinnen und Autoren das Nachsehen hätten, ist groß. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es für den Buchmarkt weiterhin das Richtige ist, bei den bewährten Leitplanken zu bleiben, die möglichst vielen Marktteilnehmern den Zugang ermöglichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)