Rede zu TOP ZP 11, 41. Sitzung des 21. Deutschen Bundestages
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als heute Morgen mein Radiowecker anging, spielte das Radio zum Glück nicht „I Got You Babe“ von Sonny and Cher, sonst hätte ich möglicherweise gedacht, es sei Murmeltiertag und ich, wie seinerzeit Bill Murray, in einer Zeitschleife gefangen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zugegebenermaßen hat mich bedauerlicherweise auch nicht Andie MacDowell am Frühstückstisch erwartet.
(Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man kann nicht alles haben!)
Aber man kann ja auch nicht alles haben.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wie eine Zeitschleife wirkt die Debatte, die wir jetzt hier im Plenum des Deutschen Bundestages führen; denn der Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 21/2708 ist nahezu wortgleich mit dem Antrag aus der 19. Wahlperiode auf Drucksache 19/17255.
(Sarah Vollath (Die Linke): Er ist halt richtig! – Zuruf des Abg. Jörg Cezanne (Die Linke))
Immerhin: Das Zahlenwerk ist angepasst worden. Das macht den Antrag in der Sache allerdings auch nicht besser.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da mir der Begriff „Symbolpolitik“ allzu oft überstrapaziert wird, möchte ich ihn an dieser Stelle für das Anliegen der Fraktion Die Linke auch nicht verwenden, zumal sich bei altem Wein in neuen oder anderen Schläuchen das Symbolhafte mit der Zeit doch auch zu sehr abnutzt. Sagen wir also: Der Antrag ist wieder einmal oder immer noch mehr Schein als Sein.
(Zurufe von der Linken)
Die Forderung, Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, klingt auf den ersten Blick nach Gleichheit und Gerechtigkeit. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass sie den besonderen verfassungsrechtlichen Status des Abgeordnetenmandats verkennt und in der Konsequenz zu neuen Ungerechtigkeiten führen würde.
(Zada Salihovic (Die Linke): Das ist peinlich!)
Schauen wir zunächst auf den verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten. Das Grundgesetz formuliert da sehr klar: „Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.“ – So formuliert es Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes.
(Sören Pellmann (Die Linke): Ja, ja, es geht um die Rente! – Weiterer Zuruf von der Linken)
– Dass Sie es mit dem Grundgesetz nicht so haben, ist mir schon klar; aber es steht nun mal drin.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Grundgesetz hat damit den unabhängigen Abgeordneten als Leitbild. Wer unabhängig ist, der kann seine Entscheidungen frei und ohne Zwang treffen. Diese Unabhängigkeit ist aber nicht nur das Leitbild des Grundgesetzes, sie wird auch in einen eindeutigen Anspruch übersetzt; denn die Unabhängigkeit muss gesichert werden, und zur Sicherheit muss die Entschädigung beitragen. Und auch hier ist das Grundgesetz eindeutig; denn „Entschädigung“ als Begriff betrifft nicht nur die Zeit als aktiver Abgeordneter, sondern auch die Zeit der Versorgung nach dem Mandat.
So sehr das Grundgesetz einerseits klar formuliert und die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung fordert, so sehr stellt sich andererseits die Frage: Was sichert denn die Unabhängigkeit der Abgeordneten? Diese Frage ist zugegebenermaßen nicht einfach und jedenfalls nicht einheitlich zu beantworten.
(Zuruf der Abg. Doris Achelwilm (Die Linke))
Genau mit dieser Frage haben sich schon viele Kommissionen und Sachverständige befasst. Zuletzt gab es im Jahr 2011 eine unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts, die auch das Thema der Entschädigung ausgeleuchtet hat.
Und ja, auch in der Kommission hat es unterschiedliche Ansätze gegeben, wie man die Unabhängigkeit der Abgeordneten durch das System der Altersversorgung sichert. Fünf Kommissionsmitglieder haben sich für das bestehende System ausgesprochen, fünf haben für ein Bausteinmodell votiert, das auf einem bestehenden Altersversorgungssystem aufsetzt, es durch eine parlamentsgewährte Zusatzversorgung ergänzt und eventuell im Weiteren noch aus einem Eigenversorgungsanteil besteht. Und schließlich hat sich ein Kommissionsmitglied für eine reine Eigenvorsorge ausgesprochen.
Auch wenn man damals verschiedene Möglichkeiten erwogen hat, wie eine die Unabhängigkeit sichernde Altersversorgung für Abgeordnete möglich sein könnte, war auch die Kommission in einer Beurteilung einig – ich zitiere -:
„Um den Abgeordneten einen finanziellen Spielraum für die Eigenvorsorge zu lassen, könnte eine zumutbare Erhöhung der Grundentschädigung erforderlich sein.“
Heißt übersetzt: Um in einem anderen als dem jetzigen System zu einer die Unabhängigkeit sichernden Entschädigung mit Blick auf die Altersversorgung zu kommen, müssten die Diäten erheblich angehoben werden.
Da sind wir bei mehr Schein als Sein; das verschweigt der Antrag der Fraktion Die Linke nämlich einfach mal. Wir sehen jedenfalls in Diätenerhöhungen nicht den richtigen Weg. Die wären aber nötig, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, wollte man ein anderes Versorgungssystem für Abgeordnete wählen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und täglich grüßt das Murmeltier: Nicht, dass wir darauf nicht schon bei allen Debatten in den vergangenen Wahlperioden hingewiesen hätten!
Wir müssen auch eines noch berücksichtigen: Die Übernahme eines Mandats führt zwangsläufig dazu, dass die normale Erwerbsbiografie der Abgeordneten durchbrochen bzw. unterbrochen wird. Auch das muss die Abgeordnetenversorgung reflektieren und unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit berücksichtigen.
Wer für den Deutschen Bundestag kandidiert, übernimmt Verantwortung: für das eigene Handeln, für Entscheidungen und auch für die eigene Absicherung. Diese Verantwortung ist Teil des Mandats. Sie erfordert Disziplin, Weitsicht und Eigenständigkeit. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen darauf vertrauen, dass ihre Abgeordneten mit dieser Verantwortung sorgfältig umgehen und dass die Entschädigung, die das Grundgesetz vorsieht, kein Privileg, sondern ein notwendiges Instrument ist, um die Unabhängigkeit des Parlaments zu sichern.
Präsidentin Julia Klöckner:
Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion der Linken zu?
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Ja, bitte.
Präsidentin Julia Klöckner:
Bitte sehr.
Isabelle Vandre (Die Linke):
Vielen herzlichen Dank, Herr Heveling, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben jetzt sehr viele Ausführungen über die Unabhängigkeit der Abgeordneten getätigt, die ein sehr, sehr hohes Gut ist. Nun frage ich mich: Wird denn die Unabhängigkeit der Abgeordneten beispielsweise auch dadurch gesichert oder vielleicht auch in Frage gestellt, dass Unternehmen zahlreiche Parteitage sponsern und die Präsenz von Unternehmen auf Parteitagen abgebildet ist? Oder aber ist die Unabhängigkeit von Abgeordneten vielleicht auch etwas eingeschränkt, wenn Lobbyisten Zugang zum Bundestag haben, ohne ausreichend im Transparenzregister abgebildet zu sein? Sind das nicht alles auch Maßnahmen, die die Unabhängigkeit von Abgeordneten einschränken?
(Beifall bei der Linken)
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Es ist Herbst, und es ist die Zeit der Äpfel und der Birnen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der Linken)
Beide miteinander zu vergleichen ist so eine Sache. Es ist ein schönes Ablenkungsmanöver, um jetzt aus der Debatte auszubrechen und den Versuch zu unternehmen, etwas anderes anzusprechen, was zwar letztlich mit dem Mandat überhaupt gar nichts zu tun hat, wozu wir aber sicherlich, gar keine Frage, auch einen öffentlichen Diskurs brauchen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der Linken)
Aber mit dem, worüber wir heute debattieren, hat das nun wirklich gar nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der Linken)
Ich sage klar: Unser derzeitiges System ist transparent, gerecht und verfassungsgemäß. Es schützt die Freiheit des Mandats und damit die Grundlage unserer parlamentarischen Demokratie. Wer das ändern will, gefährdet die Unabhängigkeit des Parlaments und das Vertrauen in die Integrität unserer Volksvertretung.
Wir lehnen das Ansinnen der Fraktion Die Linke ab. Wir lehnen den Antrag der Fraktion Die Linke ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)