Bundesverfassungsgericht: Änderung des Grundgesetzes und des BVerfGG
Rede zu TOP 2, 207. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Grundgesetz hat in diesem Jahr Jubiläum: Vor 75 Jahren wurde die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verkündet und in Kraft gesetzt. Die Verfassungsorgane nahmen auf der Grundlage des Grundgesetzes ihre Arbeit auf. Ein Verfassungsorgan war dabei im Gefüge der Institutionen unserer Republik etwas vollkommen Neues: das Bundesverfassungsgericht. Echte Vorläufer dazu gab es in der deutschen Verfassungsgeschichte nicht. Die Position im Gefüge der Verfassungsorgane, seine Stellung als Verfassungsorgan und Macht und Einfluss des Bundesverfassungsgerichts entwickelten sich erst im Laufe der Anfangsjahre unserer Bundesrepublik. Und ja, man kann sagen: Das Bundesverfassungsgericht hat sich seine Stellung und seine Stärke selbst erarbeitet.
Diese Entwicklung ist mittlerweile abgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht ist eine anerkannte Verfassungsinstitution und genießt höchsten Respekt in der Bevölkerung.
(Karsten Hilse (AfD): Nicht bei allen!)
„Dann gehe ich bis nach Karlsruhe“ ist zu einem geflügelten Wort in Politik und Gesellschaft geworden.
(Fabian Jacobi (AfD): Das haben sich einige während der Coronazeit abgewöhnt!)
Bereits seit geraumer Zeit hat sich unter Verfassungsrechtlern,
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner (AfD))
aber auch in der Gesellschaft allerdings eine Diskussion entwickelt: Wenn das Bundesverfassungsgericht ein so wichtiges Verfassungsorgan ist, warum spiegelt sich das im Grundgesetz dann nicht im notwendigen Maß wider? Anders als andere Verfassungsorgane, die eigene Abschnitte im Grundgesetz haben, wird das Bundesverfassungsgericht vergleichsweise schmal in zwei Artikeln zur rechtsprechenden Gewalt abgehandelt. Nur bruchstückhaft werden die Struktur und die Position des Gerichtes in der Verfassung erwähnt. Zentrale Bedeutung hat demgegenüber das Bundesverfassungsgerichtsgesetz als einfaches Parlamentsgesetz. Hier finden sich die wesentlichen Merkmale wieder.
Der 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes ist daher der richtige zeitliche Anlass, wesentliche Grundprinzipien unseres Verfassungsgerichts auch in der Verfassung selbst abzubilden. Im Kern geht es darum, wesentliche Merkmale aus dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz in das Grundgesetz zu transferieren. Dadurch wird das Bundesverfassungsgericht gestärkt und seiner Bedeutung angemessen im Grundgesetz verankert.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Durch die Verfassungsfestigkeit der Regeln für das Bundesverfassungsgericht wird das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig gesichert. Wir haben in anderen Ländern Europas erlebt, dass autoritären Regierungen Verfassungsgerichte so sehr ein Dorn im Auge sind, dass sie als Erstes ins Visier der Autokraten geraten. Es ist demaskierend, dass genau diese Mechanismen die Blaupause für den hier vorliegenden Änderungsantrag der AfD zum Gesetzentwurf zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz darstellen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Begründungspflicht für eine Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde ist ein Schritt, um das Bundesverfassungsgericht lahmzulegen.
(Fabian Jacobi (AfD): Ein Schritt zu mehr Rechtsstaat! Können Sie das nicht begreifen?)
Unsere Demokratie ist aber Gott sei Dank stark und hat sich bisher als äußerst wehrhaft erwiesen. Den Schutz der wehrhaften Demokratie auf das Bundesverfassungsgericht auszuweiten, ist aber auch ohne ein konkretes Risiko sinnvoll und angemessen.
Ich kann heute ehrlichen Herzens sagen: Ich freue mich und bin stolz darauf, dass wir das Gesetzgebungsvorhaben zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts nun zum Abschluss bringen können. Ich sage einen herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und aus meiner Fraktion, mit denen wir das zusammen auf den Weg gebracht haben. Ein Dank an den ehemaligen Bundesjustizminister Marco Buschmann, der dieses Verfahren exzellent moderiert hat, sodass wir zu einem guten Ergebnis gekommen sind.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der größte Gewinn für unsere Demokratie ist freilich, wenn die Regelungen, die wir heute beschließen, überhaupt keine Anwendung finden. Wenn Bundestag und Bundesrat nicht vom Ersatzwahlmechanismus Gebrauch machen müssen, weil stets verantwortungsvolle Demokraten sich auf Kandidaten einigen können und die für eine Wahl nötige Zweidrittelmehrheit zustande bringen, wenn die nun im Grundgesetz niedergelegten Strukturmerkmale der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht als Prüfungsmaßstab für ein Gesetz dienen müssen, das die Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts einschränkt, dann können wir sicher sein, dass unsere Demokratie stabil bleibt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)