Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Parteienfinanzierung

Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Parteienfinanzierung

Rede zum TOP 8 – Aktuelle Stunde -, 82. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Dienstag dieser Woche hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung verkündet. Dabei hat der Zweite Senat die im Jahr 2018 per Gesetz beschlossene Erhöhung der absoluten Obergrenze auf 190 Millionen Euro für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Das war natürlich nicht das Urteil, das wir uns erhofft hatten; aber es steht natürlich außer Zweifel, dass das Urteil, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu respektieren ist und dass wir jetzt gemeinsam überlegen sollten, wie wir die staatliche Parteienfinanzierung in Zukunft verfassungskonform ausgestalten können.

Wenn nun aber die AfD wieder einmal ihr Lamento über das angebliche Parteien-Establishment anstimmt und davon spricht, dass die seinerzeitige Große Koalition eine „Klatsche“ vor dem Bundesverfassungsgericht erhalten hätte,

(Stephan Brandner (AfD): Ja, was denn sonst?)

dann muss ich ganz klar sagen: Die einzige Partei, die am vergangenen Dienstag eine „Klatsche“ erhalten hat, war die AfD; denn Ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wurde verworfen, und der Zweite Senat hat Ihnen detailliert ins Stammbuch geschrieben, dass Sie offensichtlich nicht einmal in der Lage waren, einen zulässigen Antrag zu stellen.

(Stephan Brandner (AfD): Sie ärgern sich ja nur!)

Das muss man als Bundestagsfraktion erst mal hinbekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Kleine Kostprobe gefällig?

Der Hauptantrag zu 2.

– der Hauptantrag der AfD –

verkennt demgegenüber das kontradiktorische Wesen des Organstreits.

Randnummer 44.

Die Antragstellerin verkennt insoweit, dass der Organstreit allein dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander … dient …

Randnummer 48.

Nicht nachvollziehbar sind vor diesem Hintergrund zudem die Ausführungen der Antragstellerin,

– der AfD-Fraktion –

es ergebe keinen Sinn …

Randnummer 50.

Sie hat nicht den zuvor dargestellten Anforderungen entsprechend dargetan …

Randnummer 56.

(Stephan Brandner (AfD): Immerhin können Sie lesen! Vielleicht tanzen Sie das Ganze noch vor, Herr Heveling!)

– Ich kann lesen; Sie können offensichtlich mit Ihrem Prozessbevollmächtigten nicht richtig schreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihrem Vortrag kann nicht entnommen werden, dass sich aus dem Demokratieprinzip die von ihr behaupteten subjektiven Beteiligungsrechte im Gesetzgebungsverfahren ergeben. Mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Verankerung organschaftlicher Rechte einer Fraktion … setzt sie sich nicht auseinander.

Randnummer 58.

Die Antragstellerin hat in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen die vorstehend dargestellte Rechtsprechung des Senats vollständig außer Acht gelassen. In der mündlichen Verhandlung hat ihr Verfahrensbevollmächtigter auf eine entsprechende Aufforderung des Senats die behauptete „bruchlose Ableitbarkeit“ der geltend gemachten Beteiligungsrechte … nicht überzeugend darzulegen vermocht.

Randnummer 60.

Wer auf jeder Seite von 24 Seiten so eine Watsche bekommt,

(Stephan Brandner (AfD): Sie haben ein verfassungswidriges Gesetz gemacht! Gehen Sie mal darauf ein! 100 Millionen vom Steuerzahler!)

sich dann aber hier breitbeinig hinstellt und die rechte Phrasendreschmaschine anwirft, Herr Brandner: Dazu gehört schon eine Menge Chuzpe. Also eins konnte man am Dienstag feststellen: Was auch immer gewirkt hat, die AfD hat jedenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht nicht gewirkt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Stephan Brandner (AfD): Sie sind ja nur böse!)

Liest man sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen durch, stellt man auch schnell fest, dass das Bundesverfassungsgericht die Erhöhung der absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung keineswegs in Bausch und Bogen verdammt hat.

(Stephan Brandner (AfD): Da wittern Sie Morgenluft, was?)

Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich konzediert, dass der Prozess der Digitalisierung den politischen Parteien einen finanziellen Mehraufwand abverlangt, der durchaus in eine Erhöhung der absoluten Obergrenze staatlicher Parteienfinanzierung münden kann.

Das Bundesverfassungsgericht führt explizit aus, dass die Erweiterung der Kommunikationswege und -möglichkeiten im Zuge der Digitalisierung sowie der verstärkte Einsatz innerparteilicher Partizipationsinstrumente eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse darstellt, und zwar eine Veränderung, die von außen und gleichermaßen auf alle Parteien wirkt – das ist nämlich der entscheidende Faktor, um eine entsprechende Erhöhung der absoluten Obergrenze zu rechtfertigen -, und dass diese Veränderung Auswirkungen auf die Wahrnehmung des den Parteien zugewiesenen Verfassungsauftrags, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, hat. Von daher lässt sich festhalten: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besagt mitnichten, dass die absolute Obergrenze nicht angehoben werden kann.

(Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!)

Sie bestätigt sogar, dass der sachliche Grund passt, die Digitalisierung Mehraufwand mit sich bringt.

Was kritisiert worden ist und was in der Tat im Gesetzgebungsverfahren eben nicht ausreichend beachtet worden ist, ist, dass die Begründung der Zahlen, also warum eine Erhöhung um 25 Millionen Euro gerechtfertigt ist,

(Stephan Brandner (AfD): Pro Jahr!)

nicht ausreichend vorgenommen worden ist. Das kann man aber sicherlich in einem neuen Verfahren entsprechend nachholen. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner (AfD): Nee!)