Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern
Rede zum TOP 5, 140. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Das Staatsministerium wird daher ersucht,
1. über die bisher stattgefundenen Verhandlungen mit den Hohenzollern bzw. ihren Vertretern dem Landtag Bericht zu erstatten;
2. jede weitere Verhandlung sofort einzustellen;
3. dem Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die entschädigungslose Enteignung des sogenannten Privateigentums der Hohenzollern zugunsten des Staates enthält.
(Zuruf von der LINKEN: Genau!)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht der Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/14729, sondern das ist der Antrag von Wilhelm Pieck – ihn kennen wir alle aus der DDR – im Preußischen Landtag am 11. Oktober 1926. Das Zitat stammt aus dem Stenografischen Protokoll. Er ist in den Forderungen dem, was die Linke heute fordert, zum Verwechseln ähnlich, und man mag sich fragen: Wie viel Weimar steckt denn heute noch in unserer Berliner Republik?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schauen wir uns die historische Entwicklung doch einmal genauer an. Man muss festhalten, dass sich sowohl das Reich als auch das Land Preußen, letztlich die Politik, an der Aufteilung des Kronvermögens nach der Absetzung der Fürsten vielfach verhoben haben. Insbesondere eine Politik der damals linken Seite des politischen Spektrums, so wie sie sich im Oktober 1926 im Preußischen Landtag manifestiert hat, meinte mit Stimmungsmache gegen die vormals regierenden Häuser Recht setzen zu können. Der entsprechende Volksentscheid ist seinerzeit krachend gescheitert. Die damalige extreme emotionale Aufladung des Themas dürfte dazu beigetragen haben, dass eben bis heute Fragen im Zusammenhang mit der Zuordnung von Eigentumspositionen zwischen den Nachfolgeländern Preußens, dem Bund und der ehemals regierenden Familie ungeklärt geblieben sind.
Den Fehler aus der Zeit der Weimarer Republik aus den Jahren 1925 und 1926 sollten wir jetzt nicht wiederholen.
(Beifall der Abg. Elisabeth Motschmann (CDU/CSU))
Es ist an der Zeit, Eigentumsverhältnisse rechtsstaatlich zu klären.
Aus dem republikanischen Geist ist eine Bundesrepublik hervorgegangen, in der Recht und Gesetz allgemein gelten und jedem Bürger, auch wenn er einem ehemaligen Herrscherhaus angehört, transparente und rechtsstaatliche Verfahren garantiert sind.
(Johannes Kahrs (SPD): Aber kein Geld!)
Er kann Rechtspositionen einfordern, über die dann nach Recht und Gesetz entschieden wird oder die einer gütlichen Einigung zugeführt werden. Es wäre fatal, den Bürgern namens Preußen die Geltendmachung von Rechten aufgrund einer politischen Einzelfallentscheidung zu nehmen, so wie es die Linke fordert.
Es mag die Nähe zu den vorrepublikanischen Zeiten gewesen sein, die Weimar beim Thema Eigentumszuordnung in die Situation schlittern ließ, letztlich mit vorkonstitutionellen Gedanken an die Aufteilung in Staats- und Privateigentum herangegangen zu sein. Hinzu kommt, dass die weiteren Umwälzungen in unserem Land, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft sowie die Enteignungen während der sowjetischen Besatzungszeit, die Sachlage nicht unbedingt vereinfacht haben.
Zum einen muss geklärt werden, welche Güter, welche Eigentumspositionen im Jahr 1926 tatsächlich Teil des Privateigentums der Hohenzollern geworden sind. Ja, natürlich ist die Auslegung von Recht besonders dann schwierig, wenn es Brüche in der Staatsform und Transformationsprozesse gegeben hat; denn dann verändern sich Kategorien von Recht. Selbstverständlich ist der Übergang von der Monarchie zur Republik bzw. der Wandel vom Feudalismus zur bürgerlichen Gesellschaft ein solcher Umbruchsprozess gewesen. Insofern hat sich der Gehalt des Eigentumsbegriffs fundamental gewandelt.
Während wir heute Eigentum als Privateigentum verstehen und auch öffentliches Eigentum den Rechtsregeln des Privateigentums folgt, ist die vorkonstitutionelle Zuordnung gerade mit Blick auf frühere Herrscherfamilien deutlich komplizierter. Fiduziarische Eigentumsverhältnisse, Kroneigentum, öffentliches Eigentum, Privateigentum – alles das zu sortieren, ist nicht einfach. Aber wir sollten es Vereinbarungen und im Streitfall eben auch Gerichten überlassen, zu entscheiden, welche der ehemaligen Eigentumsformen in unsere heutige Eigentumsordnung wie einzuordnen sind.
Fraglos wird die Situation auch durch die gesetzlichen Regelungen aus der Zeit der Wiedervereinigung komplizierter. Denn es ist auch unklar, ob das enteignete Privateigentum der Hohenzollern heute überhaupt noch zurückgefordert werden kann, denn der Deutsche Bundestag hat 1994 per Gesetz die Wertentscheidung getroffen, dass enteignetes Vermögen nicht zurückgefordert werden kann, wenn dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet worden ist.
Was aber unter der Formulierung „erheblich Vorschub leisten“ zu verstehen ist – damit ist es eben ein wirklich unbestimmter Rechtsbegriff -, ist ebenso schwierig rechtlich zu definieren wie tatsächlich festzustellen. Aus der öffentlichen Debatte wissen wir – das ist hier eben auch schon angesprochen worden -, dass renommierte Historiker hinsichtlich dieser Frage durchaus zu entgegengesetzten Ergebnissen kommen. Um hierüber nicht jahrelang vor Gericht zu verhandeln, lohnt es, zunächst einmal zu versuchen, auf dem Verhandlungswege zu einer Einigung zu kommen. Davon kann unter Umständen auch die Allgemeinheit profitieren.
(Johannes Kahrs (SPD): Nichts! Gar nichts! Keinen Cent!)
Denn der Weg der Linken, gerichtlich Zugesprochenes durch Vergesellschaftung gegebenenfalls wieder zu enteignen, ist jedenfalls kein schlüssiger Vorschlag; denn da beißt sich die Katze doch in den Schwanz. Enteignungen sind in der Bundesrepublik nach dem Grundgesetz natürlich zu entschädigen.
Als rheinischer Katholik und mithin „Beutepreuße“ stehe ich sicherlich nicht im Verdacht, Parteigänger der Preußen zu sein.
(Johannes Kahrs (SPD): Hört sich aber nicht so an! – Jan Korte (DIE LINKE): Bei Ihrer Rede bin ich mir nicht sicher!)
Es geht mir vielmehr um den republikanischen Geist, das allgemeine Gesetz als Maßstab des politischen Handelns zu sehen und nicht die möglicherweise willkürliche Einzelfallentscheidung aus überhöhter Emotion.
Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU)