Entwurf eines Einwanderungsgesetzes
– Es gilt das gesprochene Wort –
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Regierungen der Aufnahmeländer sei eine große Verantwortung übertragen – so formuliert es der bekannte Migrationsforscher Paul Collier in seinem Buch „Exodus“, ich darf zitieren -,
denn die Migrationsrate hängt von zwei Dingen ab: von der individuellen Entscheidung potenzieller Migranten und von der Politik der Regierungen. Allein der Entscheidung der Migranten überlassen, … würde sie weiter anwachsen und schließlich den Punkt überschreiten, bis zu dem die Aufnahmegesellschaften einen Nutzen davon haben. Daher kann man die Migration nicht der individuellen Entscheidung der Migranten überlassen; sie muss von den Staaten gesteuert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Aber die Migrationspolitik ist unweigerlich kompliziert. Um ihren Zweck zu erfüllen, muss sie diese Komplexität bewältigen.
So weit Collier.
Ihr Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bewältigt unserer Ansicht nach die Komplexität nicht in ausreichendem Maße, jedenfalls nicht so, dass es unserer Verantwortung als potenzielles Aufnahmeland sowohl für die, die zu uns kommen wollen, als auch für unsere Gesellschaft gerecht wird.
Bevor ich zu den einzelnen Regelungen komme, möchte ich zunächst einer der Grundannahmen Ihres Gesetzentwurfs widersprechen. Ihn durchzieht die Klage, wie ach so kompliziert das deutsche Einwanderungsrecht doch sei. Es gebe so viele verschiedene Regelungen, mit denen man nach Deutschland kommen könne.
(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!)
Dazu muss man sagen: Das ist doch gut so. Menschen möchten und sollen aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Deutschland kommen. Ihre Situationen sind unterschiedlich. Da ist es doch nur richtig, dass man unterschiedliche Regelungen dafür hat.
Es mag keine schlechte Idee sein, die bestehenden Regelungen übersichtlicher zusammenzufassen. Dass man aber alles viel, viel einfacher machen könne, das halte ich, offen gestanden, für Augenwischerei. Sie wollen es sogar noch komplizierter machen. Ein neues, bürokratisches Punktesystem soll die jetzigen Regelungen nicht ersetzen, sondern soll neben sie gestellt werden.
(Andrea Nahles (SPD): Übergangsweise!)
Es wird also noch unübersichtlicher. Das ist für mich ein widersprüchlicher Ansatz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sehe eher die Notwendigkeit, dass wir die bestehenden Regeln aktiv bewerben. Kollege Mayer hat schon auf die Internetseite make-it-in-germany.com hingewiesen. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen zusammenkommen, dass wir Tools haben, die Menschen zusammenbringen, nämlich die, die hier arbeiten wollen, und die, die ihnen tatsächlich Arbeitsplätze anbieten können.
Große Schwierigkeiten sehe ich bei Ihrem Vorschlag, dass für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, wenn jemand einen guten Punktestand hat und nach Deutschland kommen möchte, um Arbeit überhaupt erst zu suchen. Es ist sehr richtig, zu überlegen, wie man die Arbeitsplatzsuche aus dem Ausland weiter unterstützen kann. Ich halte es aber für wichtig, dass die Einreise erst gestattet wird, wenn tatsächlich ein konkretes Arbeitsangebot vorliegt;
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
denn der Staat kann zwar Mangelberufe identifizieren – das macht er auch jetzt schon -, aber es ist nur eine Prognose. Welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Unternehmen dann konkret einstellen wollen und wofür, das können Behörden vorab nicht wissen – das ist eine Entscheidung der Unternehmen -, und das würde auch bei einem noch so guten Punktesystem nicht funktionieren.
Auch hierzu darf ich noch einmal den Migrationsforscher Paul Collier zitieren, der ausdrücklich diese Komponente des deutschen Rechts lobt – ebenso wie die ähnlichen neuseeländischen Regelungen -:
Nachdem der potenzielle Migrant die staatlichen Kriterien erfüllt hat, müsste er noch ein Unternehmen dazu bringen, ihn einzustellen. Sowohl Deutschland als auch Neuseeland haben ein solches System eingeführt. Arbeitgeber haben einen Anreiz, Bewerber zu durchleuchten und dabei einen ausgewogenen Katalog von Merkmalen zu berücksichtigen. Länder, die Einwanderer nur mithilfe eines mechanisch angewandten Punktesystems auswählen, sind Ländern gegenüber, die darüber hinaus die Migranten genauer unter die Lupe nehmen, in der Regel im Nachteil, weil sie Menschen anziehen, die zwar die Anforderungen formal erfüllen, aber ansonsten ungeeignet sind.
Sicherlich ist auch das der Grund, warum Kanada sein Einwanderungssystem dahin gehend angepasst hat, dass der konkrete Arbeitsplatz bei der Beurteilung der Einwanderungsmöglichkeit mittlerweile eine herausragende Rolle spielt.
Für das Jahr der Arbeitssuche wollen Sie zudem darauf verzichten, dass die Menschen nachweisen, dass ihr Lebensunterhalt gesichert ist. Sie halten diese Prüfung insgesamt für überflüssig. Ich halte es für fatal, es nicht zu prüfen. Arbeitsuchende könnten sich nach Ihrem Entwurf während der Suche mit einem Nebenjob über Wasser halten. Das wollen Sie ebenfalls regeln. Das soll die Versorgung sicherstellen. Aber was, wenn das nicht klappt oder nicht mehr klappt oder derjenige, der hierherkommt, zwischendurch krank wird? Den Bezug von Hartz IV wollen Sie ausschließen. Das ist sicherlich richtig. Aber dann ist es doch wichtig, dass wir vorher sicher wissen, dass sich der Mensch bei der Arbeitssuche finanzieren kann.
Die Vielzahl von Ermessensentscheidungen halten Sie laut Gesetzesbegründung für abschreckend; sie biete Rechtsunsicherheit. Ein Punktesystem ist für Sie übersichtlicher. Ich sehe, offen gestanden, nicht wirklich einen qualitativen Vorteil eines Punktesystems; denn eine Ermessensentscheidung wird nicht einfach so getroffen, sondern sie wird in der Regel die gleichen Faktoren berücksichtigen wie ein Punktesystem. Nur hat man beim Ermessen etwas mehr Spielraum, auch zugunsten des Antragstellers.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege Heveling, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ansgar Heveling (CDU/CSU):
Starre Punktesysteme sind nicht per se gerechter.
Fazit: Die bestehenden Regelungen zur Einwanderung nach Deutschland zu Arbeitszwecken sind gut. Wir haben es schon gehört: Die OECD sieht Deutschland hier weit vorne. Für solche bestehenden Möglichkeiten müssen wir mehr Werbung machen. Lassen Sie mich versichern, dass als Ergänzung zu den bestehenden Möglichkeiten für die CDU/CSU ein Fachkräftezuwanderungsgesetz ganz oben auf der Agenda steht. Aber es muss ein Gesetz sein, das die sinnvolle Steuerung der Arbeitsmigration ermöglicht.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)