Scheitern der Restitution der Benin-Bronzen

Scheitern der Restitution der Benin-Bronzen

Rede zum TOP 9 -aktuelle Stunde-, 104. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich war es zu erwarten, dass die AfD-Fraktion das Debakel um die Rückgabe der Benin-Bronzen – ja, es ist ein Debakel ohne Zweifel, das hier passiert ist – nutzen würde,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

um ihre grundlegende Ablehnung der Restitution von Gegenständen aus kolonialen Kontexten öffentlich wieder einmal zu dokumentieren. Zum Beispiel war von Verschenken von Vermögen die Rede; wir haben das alles gehört. Ich sage an der Stelle ganz ausdrücklich: Das ist nicht unser Verständnis vom Umgang mit Kulturgegenständen aus kolonialen Kontexten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir urteilen heute anders über unsere koloniale Vergangenheit sowie über den Umgang mit ihr, als es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war. Wir kommen heute zu anderen Schlussfolgerungen, und deswegen verwahre ich mich auch ausdrücklich für meine Fraktion gegen den Rassismusvorwurf, der hier erhoben worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist doch nur ein billiges Instrument gewesen, um eine Debatte, die so notwendig ist, abzuschneiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist aber nicht sinnvoll; denn wir hatten es uns eigentlich zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gemacht, einen Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zu finden, an dessen Ende oftmals Kooperation und auch Restitution stehen. Umso bedauerlicher ist es, dass das Duo aus Außenministerin Baerbock und Staatsministerin Roth mit dem Debakel um die Rückgabe der Benin-Bronzen genau diesen Blick auf den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten – freundlich formuliert – getrübt und erschwert hat. Sie haben damit der Aufgabe einen Bärendienst erwiesen.

(Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie waren doch dabei! Das ist Heuchelei!)

Es ist im Grunde genommen ein Lehrstück, ein Lehrstück dafür, wie moralische Überhöhung blind machen kann, zu sachgerechten Lösungen auf Dauer zu kommen. Offensichtlich haben sowohl Außenministerin Baerbock als auch Staatsministerin Roth der nötige Sensus dafür gefehlt, rechtzeitig zu erkennen, was mit den Benin-Bronzen nach der Rückgabe an Nigeria alles geschehen könnte. Ich hoffe einmal nicht, dass es billigend in Kauf genommen worden ist oder die Augen bewusst verschlossen wurden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es scheint, als sei das Knallbonbon der Gewissheit der eigenen moralischen Überlegenheit wichtiger gewesen

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

als eine gewissenhafte Prüfung der Umstände, unter der eine Rückgabe erfolgt.

Dass der scheidende Staatspräsident Nigerias kurz vor dem Ende seiner Amtszeit die Eigentumsrechte an den Benin-Bronzen an den Oba überträgt, ist mehr als erschreckend. Es ist insofern eine besonders brisante Gemengelage, als dass die ehemalige Königsfamilie seinerzeit gerade aufgrund von Menschenrechtsverletzungen wie dem Sklavenhandel zur Entstehung der Benin-Bronzen beigetragen hat. Hier passiert im Grunde genommen genau die Umkehrung dessen, was wir eigentlich versuchen, nämlich die Zugänglichmachung identitätsstiftender Kulturgüter für und die Eigentumsübertragung an die heutigen Herkunftsgesellschaften als Ganzes und nicht an Einzelne.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Vorfall verdeutlicht die Komplexität und Sensibilität von Verbringungshistorien und Eigentumsansprüchen im Kontext von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten und lässt die Frage nach dem jeweiligen politischen Gestaltungsspielraum wichtiger denn je erscheinen. In Ihrem Essay „Was soll zurück? Die Restitution von Kulturgütern im Zeitalter der Nostalgie“ schreibt Frau Professorin Sophie Schönberger – ich darf zitieren -:

Eine Gesellschaft, die sich für das Zurückgeben entscheidet und sich auf diese Weise ihrer Vergangenheit stellen will, muss sich auch mit der Bedeutung dieses am Ende höchst symbolischen Aktes auseinandersetzen. Dafür ist es vor allen Dingen erforderlich, dass das Zurückgeben nicht als etwas Selbstverständliches, Vorgegebenes oder gar Erzwungenes dargestellt wird, sondern als bewusster politischer Prozess, den es zu gestalten gilt. Die reparative Nostalgie, dieses wohlige Gefühl, mit dem die Vergangenheit geheilt werden soll, kann diese politische Gestaltungsdimension mitunter in den Hintergrund treten lassen.

Genau das ist passiert, als im Dezember des vergangenen Jahres Außenministerin Baerbock und Kulturstaatsministerin Roth in einem staatsaktgleichen Zeremoniell die ersten Benin-Bronzen nach Nigeria zurückgebracht haben. Da kann man sich schon fragen, ob hier nicht voreiliger Aktionismus an den Tag gelegt wurde und ein „Schnell, schnell“ Vorrang vor einem besonnenen Übertragungsprozess hatte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die dünne Ausgestaltung der gemeinsamen Erklärung zwischen Deutschland und Nigeria lässt Zweifel an Angemessenheit und gründlicher Vorbereitung aufkommen.

Wichtig für die Zukunft bleibt: Es muss jede Rückgabe einzeln betrachtet werden. Die Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten bleibt ein Prozess, der jeweils mit Augenmaß, in partnerschaftlicher Kooperation auf Augenhöhe und mit Vertrauen der Vertragspartner ineinander geführt werden muss und der die nötige Zeit braucht. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir zu einem konstruktiven Umgang zurückkehren und dass auch die Gestaltungsdimension wieder wahrgenommen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)