Aufarbeitung von kolonialem Unrecht

Aufarbeitung von kolonialem Unrecht

Rede zum TOP 5, 192. Sitzung des 19. Deutschen Bundestages

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die zwingend notwendige Frage der Provenienz ist die Voraussetzung für museale Präsentation oder Restitution. Bei genauer Betrachtung ist allerdings die Frage nach dem Umgang mit den Objekten, deren Provenienz geklärt ist, der Punkt, wo die Diskussion wirklich interessant wird. Hier geht es dann nicht mehr um die Frage der Klärung von Provenienzen, sondern um den Umgang mit musealen Objekten vor dem Hintergrund dessen, was man jeweils als historisch gerecht einschätzt.

Unter anderem mit diesen Worten eröffnete der Präsident des Deutschen Historischen Museums, Professor Raphael Gross, im Juni 2018 das Symposium „Die Säule von Cape Cross. Koloniale Objekte und historische Gerechtigkeit“, ein Symposium über den Umgang mit derjenigen Wappensäule, die im Jahr 2006 noch wenig prominent, wenig beachtet und ohne Kontextualisierung in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums zu finden war.

13 Jahre, ein Rückgabeersuchen aus Namibia und einen beispielhaften kulturellen wie politischen Dialog zwischen den Nationen später ist die Säule nun, wenn auch noch nicht in voller Gänze, seit dem vergangenen Jahr restituiert. Ich darf Professor Gross an dieser Stelle noch einmal zitieren mit den Worten:

Zur historischen Urteilskraft gehört aber diese Fähigkeit, sich der eigenen Wertung bewusst zu werden.

Und so steht die Chronologie der Säule von Cape Cross wie mittlerweile eine Vielzahl weiterer Objekte exemplarisch für den Wandel nicht nur im Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, sondern darüber hinaus auch für ein grundsätzlich verändertes Bewusstsein im Umgang mit der Gesamtheit unserer kolonialen Vergangenheit.

Es stimmt, dass wir uns in Deutschland lange nicht ausreichend mit diesem Teil unserer Geschichte auseinandergesetzt haben und dass der deutsche Kolonialismus auch in unserem historischen Gedenken kaum eine Rolle gespielt hat; hier pflichte ich dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich im Grundsatz bei. Wo ich aber ausdrücklich widerspreche, ist, den Eindruck zu erwecken, wir würden uns immer noch nicht ausreichend differenziert bis mitunter überhaupt nicht mit dem Thema der Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus im Allgemeinen bzw. kulturpolitisch mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten im Speziellen befassen.

Die Forderungen der vorliegenden Anträge sind dabei bekannt; in ähnlicher Form lagen sie alle mindestens einmal bereits vor. Es wird wieder der Eindruck erweckt, Deutschland komme seiner Verantwortung nicht nach, stehe nicht im internationalen Dialog mit den Betroffenen. In Bezug auf das angesprochene Sammlungsgut wird suggeriert, es handele sich bei allen Exponaten, von denen wir sprechen, um ein und dieselbe Objektgruppe sowie um ein und dieselbe Herkunftsgesellschaft. Daraus erwächst auf der einen Seite die Idee einer grundsätzlichen Restitution, ohne die Provenienz vorher weiter zu klären, oder auf der anderen Seite gar der aus heutiger Sicht grotesk anmutende Gedanke, kein einziges koloniales Gut mehr zu restituieren. Dass beides zu kurz greift, wissen wir nicht erst seit dem Diskurs um die Säule von Cape Cross.

Seitdem wir uns im Koalitionsvertrag zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte explizit bekannt haben, ist einiges geschehen. Es gibt die ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Es gibt die Kontaktstelle für ebendieses. Es gibt einen zusätzlichen Etat beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste zur Erforschung von Provenienzen. Es gibt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, und es gibt die Digitalisierung der Bestände und vieles mehr.

Ich sage nicht, dass alles getan ist. Die Aufgabe der Auseinandersetzung mit der deutschen und europäischen Kolonialgeschichte bleibt eine ausdauernde. Für unsere Entwicklung als Gesellschaft müssen wir sie sehr ernst nehmen. In diesem Sinne freuen wir uns auf weitere konstruktive Gespräche.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla Schmidt (Aachen) (SPD))