Kom­mission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit

Kom­mission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit

Rede zum TOP 8, 20. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Frage bleibt eine weitere Reform des Wahlrechts auch in dieser Wahlperiode eine wichtige Aufgabe. In der letzten Legislatur haben die seinerzeitigen Regierungsfraktionen erste Reformschritte, angelegt auf den Zeitraum von zwei Wahlperioden, unternommen und insbesondere drei Stellgrößen in den Blick genommen: erstens die Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280, zweitens die teilweise Verrechnung von Überhangmandaten einer Partei mit Listenmandaten der gleichen Partei aus anderen Ländern und drittens drei unausgeglichene Überhangmandate.

Dieses Paket hat zumindest dazu geführt, dass der Bundestag bei der Bundestagswahl nicht in einem Maße weiter gewachsen ist, wie es ohne Anpassung der Fall gewesen wäre. Dennoch ist der Bundestag aber größer und nicht kleiner geworden. Das bedeutet: Wir müssen weitere Reformschritte unternehmen, und das werden wir als Unionsfraktion natürlich auch mit angehen.

(Marianne Schieder (SPD): An euch scheitert es! An der Union, an der CSU!)

Eine entsprechende Kommission wurde ja auch schon vom letzten Bundestag mit anderen Mehrheitsverhältnissen beschlossen und soll nun – grundsätzlich folgerichtig – fortgeführt werden.

Der Umgang der neuen Mehrheiten mit der Fortführung der Kommission ist aber kein gutes Vorzeichen, wenn es darum gehen sollte, einen breiten Konsens und eine mehrheitsübergreifende Zusammenarbeit für weitere Reformschritte zu erreichen.

Erst hört man lange von der Koalition – nichts! Ich erinnere mich noch gut an das ständige Insistieren insbesondere vonseiten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Wahlperiode, wann denn endlich die Kommission eingerichtet werde. Da wurde immer wieder laut zum Halali geblasen. Wir haben in dieser Wahlperiode bewusst erst einmal nicht ins gleiche Horn gestoßen. Damit war auch die Hoffnung verbunden, dass die Ampelkoalition ihren eigenen Anspruch, die Diskussion ums Wahlrecht auf ein breites Fundament zu stellen, einlösen würde. Das ist allerdings schon heute, im ersten Schritt, gescheitert.

Weder sind wir als größte Oppositionsfraktion im Vorfeld der Neueinsetzung eingebunden worden, noch hatten wir ausreichend Gelegenheit, uns mit dem neuen Einsetzungsantrag auseinanderzusetzen. Gestern haben die Koalitionsfraktionen ihren Antrag beschlossen, heute schon wird die Direktabstimmung umgesetzt. Plötzlich haben Sie es ganz eilig.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte. – Frau von Storch, es ist so vorgesehen, dass wir die Masken hier im Saal tragen. Wenn Sie am Platz reden, dann ziehen Sie die Maske bitte nicht herunter, sondern tragen Sie sie die ganze Zeit über der Nase. Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen, die bereits erkrankt sind, und wollen – hier jedenfalls – keine weiteren Erkrankungen hervorbringen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch (AfD): Ich bin getestet!)

Entschuldigung, und gerne weiter mit Ihrer Rede.

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Die Uhr ist übrigens weitergelaufen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Die Uhr habe ich im Blick; das ist mir auch aufgefallen. Entschuldigung.

Ansgar Heveling (CDU/CSU):

Noch einmal: Das sind keine guten Vorzeichen für die Suche nach einem breiten Konsens. Vielmehr ist es entweder Ausdruck der inneren Unordnung bei der Ampel oder schlicht ein Vorgeschmack darauf, dass jetzt mit neuen Mehrheiten einfach ein neues Wahlrecht durchgepeitscht werden soll.

Vergleicht man den Einsetzungsbeschluss aus der letzten Wahlperiode mit dem nun vorliegenden Einsetzungsantrag, fallen doch einige deutliche Veränderungen auf.

(Marianne Schieder (SPD): Ja, Gott sei Dank!)

In ihrem Koalitionsvertrag versprechen Sie, „gesellschaftliche Spannungen in Zeiten des schnellen Wandels zu reduzieren und das Vertrauen in unsere Demokratie zu stärken“ und demokratisches Engagement zu fördern. Und was tun Sie? Sie kassieren bei der Wahlrechtskommission die Bürgerbeteiligung, die der Einsetzungsbeschluss der letzten Legislaturperiode noch vorgesehen hatte, einfach ein.

(Michael Frieser (CDU/CSU): Hört! Hört! Skandal!)

In Ihrem Einsetzungsantrag findet sich hierzu nichts.

(Michael Frieser (CDU/CSU): Schämt euch!)

Ich muss ganz offen und ehrlich sagen: Das befremdet mich.

Ein dauerhaft tragfähiges Wahlrecht kann doch nur ein Wahlrecht sein, das auf einer größtmöglichen Akzeptanz beruht und nicht allein von einer parlamentarischen Mehrheit für gut befunden wird. Aber das scheint Sie nicht zu kümmern. Nur so kann ich mir auch erklären, dass der Abschlussbericht, für den in der letzten Legislaturperiode noch eine Zweidrittelmehrheit in der Reformkommission vorgesehen war, nun nur noch mit einer einfachen Mehrheit beschlossen werden soll.

(Stephan Brandner (AfD): Habt ihr euch reinlegen lassen!)

Zentrale Themen der Reformkommission wie etwa die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre lassen sich nur im Wege der Grundgesetzänderung realisieren. Dazu brauchen Sie aber eine Zweidrittelmehrheit. Auch das im Einsetzungsantrag genannte Ansinnen, nicht nur die Amtszeiten des Bundeskanzlers, sondern zudem auch die Mandatszeiten zu begrenzen, rührt an die Grundfesten von Artikel 38 des Grundgesetzes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

So etwas können wir nur auf breiter Basis diskutieren und nicht lediglich in Koalitionsrunden verhandeln. Daher appelliere ich an Sie: Suchen Sie den Konsens mit uns, um eine Wahlrechtsreform zu verwirklichen, die diesen Namen verdient.

(Zuruf von der SPD)

Die heutige Ouvertüre erzeugt aber eher Dissonanzen als Harmonie. Das können wir nicht mittragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)